Herr Henning, eines Ihrer jüngsten Entwicklungsprojekte befasste sich mit der Verbesserung der Ergonomie in der Automobil-Endmontage, insbesondere durch die Reduzierung hoher Einsteckkräfte bei der Montage von Kabelclips. Was war die anfängliche Herausforderung, die diese Arbeit auslöste?
Eine der größten Herausforderungen, die wir an Endmontagelinien identifizierten, waren die konstant hohen Einsteckkräfte, die bei der Installation von Kabelclips erforderlich waren. An einem OEM-Standort montierten die Bediener pro Schicht große Mengen Clips und mussten dabei oft Kräfte von über 70 Newton aufwenden. Diese Art der wiederholten Belastung führte zu einer Zunahme von Hand- und Fingerverletzungen, mehr Krankenständen und steigenden Umschulungskosten. Schnell wurde klar, dass wir unsere Befestigungslösungen überdenken und dabei sowohl die Ergonomie als auch die Wirtschaftlichkeit stärker in den Fokus rücken mussten.
Was hat der Kunde verlangt und wie hat das Ihren Ansatz beeinflusst?
Der Kunde setzte klare Maßstäbe: Die Einsteckkräfte sollten unter 30 Newton bleiben, die Auszugskräfte über 110 Newton. Dies galt für eine Vielzahl von Befestigungen: Lamellenfuß, EdgeClip, Schweißbolzen. Diese Spezifikation war die Richtlinie für unser gesamtes Handeln. Doch es ging nicht nur darum, die Zahlen zu erreichen. Es ging darum, den Bedienern die Arbeit zu erleichtern und gleichzeitig die Sicherheit des Teils zu gewährleisten.
Wir haben die Zielvorgaben von maximal 30 N Einschub- und 110 N Auszugskraft nicht nur erreicht, sondern sogar deutlich übertroffen. Teilweise erreichten wir Einsteckkräfte von nur 5 N und Auszugskräfte von deutlich über 150 N. Ein weiteres getestetes Design erreichte unter 15 N Einschub- und über 200 N Auszugskraft. Diese Verbesserungen stellen einen deutlichen Sprung in der Ergonomie dar – weit über das ursprüngliche Ziel hinaus.
Welche Lösungen hat HellermannTyton also entwickelt?
Wir haben eine Reihe gezielter Verbesserungen vorgenommen, um eine sicherere und effizientere Installation zu ermöglichen. Ein Beispiel dafür sind unsere neuesten Lamellenfuß-Designs. Sie behalten die erforderliche Haltekraft bei, reduzieren aber die Einsteckkraft deutlich und tragen so zur Entlastung der Hände des Bedieners bei. Das ist unser neuer ergonomischer Maßstab. Auch unsere Schweißbolzenclips haben wir neu gestaltet, um eine Einsteckkraft von 30 Newton zu erreichen und gleichzeitig eine Auszugskraft von über 110 Newton zu bieten. Ein weiteres hervorragendes Beispiel sind unsere EdgeClip-Lösungen: Sie ermöglichen eine werkzeuglose Befestigung, die viel Zeit spart.
Welche Bedeutung hat für Sie neben der Erfüllung technischer Ziele das Thema Ergonomie?
Sie ist absolut unerlässlich. Ergonomie ist nicht länger nur eine Randnotiz oder ein nettes Extra. Sie steht in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit der Mitarbeiter, der langfristigen Produktivität und der Gesamtleistung einer Produktionslinie. Wenn wir die körperliche Belastung durch besseres Produktdesign reduzieren, tragen wir dazu bei, das Verletzungsrisiko zu senken, Ausfallzeiten zu minimieren und Umschulungskosten zu vermeiden. Darüber hinaus tragen wir dazu bei, sicherere und respektvollere Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat einen nachhaltigen Wert für die Menschen und das Unternehmen.
Das klingt nach einer abteilungsübergreifenden Anstrengung. Was hat die Zusammenarbeit so erfolgreich gemacht?
Es war wirklich globale Zusammenarbeit vom Feinsten, basierend auf enger Zusammenarbeit über Standorte, Zeitzonen und Fachgebiete hinweg. Von Anfang an arbeiteten wir Seite an Seite mit den Ergonomie- und Entwicklungsteams des Kunden. Intern wurde die Kernentwicklung von unserem schwedischen Designteam in enger Abstimmung mit Kollegen in Deutschland geleitet. Diese starke Partnerschaft zwischen den schwedischen und deutschen Teams war entscheidend für die Abstimmung schneller Design-Iterationen mit gründlichen Tests und Validierungen.
Weitere Unterstützung leisteten unsere Teams in China und den USA mit ihrem Material-Know-how und ihren Testkapazitäten. Dank gilt Scott Adams für die Entwicklung des neuen Tannenbaum-Designs sowie Christoph Cordts und seinem Team für die Verbesserung des Kantenclips. Besondere Anerkennung gebührt Marten Otterstrom vom schwedischen Designteam für die Entwicklung des Clips, der eine maximale Einsteckkraft von 5 N und eine Auszugskraft von weit über 150 N erreichte – ein großer Fortschritt in Sachen Ergonomie.
Es ist ein klares Beispiel dafür, wie wir unsere internationalen Stärken bündeln, um Ergebnisse zu erzielen, die einen echten Unterschied machen.
Welche Auswirkungen haben Sie auf die Produktion gesehen?
An einer der Großserienproduktionslinien unseres Kunden konnten wir die durchschnittlichen Einschubkräfte von rund 70 Newton auf nur noch 30 Newton reduzieren. Dieses Ergebnis setzt neue Maßstäbe. Künftig sind dort nur noch ergonomische Verbindungslösungen zugelassen, die diesem Standard entsprechen. Für uns ist das keine Herausforderung, wir erfüllen diesen Standard bereits. Und für die Bediener an der Linie bedeutet es spürbar weniger Belastung, geringeres Verletzungsrisiko und langfristig eine bessere Gesundheit.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus diesem Projekt für künftige Kundenprojekte mit?
Es ist ein überzeugendes Beispiel für unsere Arbeitsweise. Wir reagieren nicht nur auf Spezifikationen. Wir hören zu, antizipieren und entwickeln mit. Unser Ziel ist es, Lösungen zu schaffen, die sich nahtlos in die Systeme unserer Kunden einfügen und ihre langfristigen Strategien unterstützen. Wenn unsere Teile in die Liste der zugelassenen Komponenten aufgenommen werden, zeigt das ihr Vertrauen in uns. Dieses Vertrauen motiviert uns, uns ständig zu verbessern.
Vielen Dank für das Interview, Patrik, und alles Gute für Ihre weitere Entwicklung der Grenzen des ergonomischen Designs.